Der Spieler, der das Roulette besiegte – Teil 10

Als Bloomberg Journalist Keith Shellel (auch Kit Chellel) endlich auf Tosa traf, war er überrascht: Denn in Wirklichkeit war er noch größer und staksiger, als er erwartet hatte. Tosa sah Shellel draußen auf der Straße und zog ihn in eine etwas unbeholfen wirkende Umarmung unter seinen Regenschirm. „Oh oh oh oh“, sagte er nur. Die beiden Männer gingen rein und der Journalist wurde einem Freund und einem jüngeren Verwandten Tosas vorgestellt. Sie sprachen beide gutes Englisch und sollten übersetzen, falls nötig.

Sie erklärten, dass „Niko Tosa“ gar nicht sein richtiger Name sei. Dieser müsse geheim bleiben, weil er Feinde habe, die weniger nachsichtig seien als John Wootten. Natürlich stimmte Shellel zu, den tatsächlichen Namen nicht zu veröffentlichen.

Sein Eindruck von Tosa war mannigfaltig: Er erschien ihm abwechselnd rätselhaft, gönnerhaft, dann wieder garstig, paranoid und offen. Außerdem erschien er als großzügig, bestand er doch darauf, eine Runde Single Malt Whiskys auszugeben.

Er machte keinen Hehl daraus, dass er mit gefälschten Papieren Roulette spielte, während er sein Äußeres mit einer Perücke und einem falschen Bart veränderte. Was daran falsch sei, fragte er – und hatte gleichzeitig kein Problem damit, einige seiner früheren Spielpartner kriminell zu nennen. Einer dieser Spielpartner war 2018 in Belgrad erschossen worden, offenbar hatte die Balkan-Mafia da ihre Hände im Spiel. Mit anderen war Tosa wegen Geldes zerstritten.
Aber er beharrte darauf, dass an seinem Roulettespiel nichts illegal sei. Er habe nie einen Roulette-Computer benutzt.

„So etwas finden Sie im Fernsehen bei James Bond“, sagte er verschmitzt und fügte hinzu: „Nicht bei uns, wir sind Bauern.“ Trotzdem setzte der Journalist bei den Computern an, woraufhin Tosa verärgert die Hände hoch warf und mit seinem Freund eine Diskussion begann. Nein, wütend sei Tosa nicht, sagte sein Freund, nur aufgebracht, weil er scheinbar nicht verständlich machen konnte, was er wollte.

Keith Shellel begann zu vermuten, dass Tosa sich eigens zu diesem Gespräch bereit erklärt hatte, um eben das klar und deutlich zu machen: Dass er keinen Computer benutzt hatte! Denn in einem entspannten Ambiente zwischen Weißwein und frischem, vor Ort gefangenem Tintenfisch konnte er es sich nicht verkneifen: „Sie sollten mich Nikola Tesla nennen, wenn ich tatsächlich ein soches Gerät habe!“

Die ursprüngliche Frage stand also weiterhin im Raum: Wie hat Tosa es gemacht? Wie hat dieser Mann immer und immer wieder das Roulette besiegt? Darauf hatte der spitzfindige Meister eine klare Antwort: „Übung“, sagte er. Shellel bekam ein Video von einem glitzernden Rouletterad zu sehen, das Tosa zuhause nutzte, um sein Gehirn zu trainieren. Wie er es gelernt habe? Ein Freund habe es ihm beigebracht. Und dieser Freund ist kein Unbekannter, sondern Atomir Jovanovic, der Kroate, der die katastrophale Vorführung im Colony Club gegeben hatte.

Die Londoner Polizei sollte also zumindest dahingehend Recht behalten, dass die beiden zusammenarbeiteten.

Das Entscheidende sei der Zustand des Rades, so Tosa. Und aus diesem Grund hatte er quasi einen Lieblingstisch im Ritz – an welchem er genug mit dem Rad gespielt hatte, um sicher zu sein, es schlagen zu können. Selbst nachdem das Casino es in einen anderen Raum verlegt hatte, erkannte er es auf den ersten Blick.

Tosas Aussage schien glaubhaft. Später kontaktierte Shellel Doyne Farmer, den Physiker, dessen Roulette-Vorhersagen in The Eudaemonic Pie festgehalten sind, um sich zu vergewissern. „Ich halte es für denkbar, dass jemand das, was wir tun, ohne Computer machen kann, vorausgesetzt, das Rad ist geneigt und der Rotor bewegt sich nicht zu schnell“, war Farmers Antwort, der heutzutage Professor an der Universität in Oxford ist. Die zerebrale Taktung sei musikalischem Talent ähnlich und kann ähnliche Teile des Gehirns aktivieren, nämlich diejenigen, die für Klang und Rhythmus zuständig sind.

Trotz dieser Rückbestätigung war Shellel nicht komplett ohne Zweifel, denn er nahm an, dass Tosa es ihm nicht gesagt hätte, hätte er doch irgendein winziges Gerät versteckt gehabt.

Sein Eindruck war, dass ein Leben, bei dem man um die Welt reist, um immer neue Casinos zu finden, in denen man nicht erkannt wird, nicht besonders angenehm sein kann. Und dann immer darauf zu warten, dass der Sicheheitsdienst an den Überwachungskameras merkt, dass man zu gut ist… keine verlockende Vorstellung. Tosa sagte zudem, er sei nicht nur einmal von Casino-Gangstern zusammengeschlagen worden. Die Frage, ob er sich jemals gejagt gefühlt habe, verneinte er erstaunt: „Warum sollte ich?“ Er sah die Casinos als Beute und sich selbst als Jäger.

Sein junger Verwandter berichtet von dem Tag, als Tosa vor Jahren zum ersten Mal mit einem Ferrari vorfuhr. Ihre Heimatstadt in den Ausläufern der Dinarischen Alpen ist keine wohlhabende Stadt nach kroatischen Maßstäben, auch wenn man Tosas Familie hier als prominent kennt.

Der Journalist erkennt an Tosa einige Züge, die er schon bei anderen Berufsspielern gesehen hatte: eine Abneigung gegen das „normale Leben“, einen geregelten Alltag und das Bedürfnis, auf eigene Faust zu leben, ohne Rücksicht auf die Risiken. Was ihn schließlich von anderen Roulette-Prognostikern unterschied, war seine Bereitschaft, VIEL zu riskieren.

Die meisten Spieler gewannen absichtlich nie mehr als ein paar tausend Dollar, weil sie Angst hatten, entdeckt zu werden.“Eichhörnchen“, nannte Tosa solche Spieler verachtungsvoll. Ohne seine Verhaftung im Ritz, das war für Tosa glasklar, wäre er in der nächsten Nacht wieder dort aufgelaufen und hätte locker 10 Millionen Pfund gewonnen. Seiner Meinung nach war das Casino noch glimpflich davongekommen.

Gegen Ende dieser Begegnung fragte Tosa, wann genau die Geschichte veröffentlicht werden würde. Warum er das wissen wolle? Na, er plane bereits seine nächste Auslandsreise, sagte er wieder mit seinem verschmitzten Lächeln. Und natürlich wolle er nicht, dass seine Tarnung auffliegt…

Und wer weiß, vielleicht begegnet Ihnen der Mann, der auch weiterhin das Roulette besiegt, ja einmal selbst in einem Casino.

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Autor
Expertin für österreichische Casinos
Connie’s Passion war schon immer die deutsche Sprache, ihr erstes gesprochenes Wort „Reißverschluss“… Als Content Writerin bei Game Lounge verbindet sie diese Passion mit ihrem Faible für die schillernd-bunte Glücksspielwelt, indem sie diese in leuchtend-schöne Texte verpackt, um die Leser zu informieren und zu unterhalten. Nach dem Studium der deutschen Sprache hat sie neben vielseitigen Übersetzungsarbeiten auch sehr überzeugendes Copy Writing für den iGaming Bereich geliefert.

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